Fahrbericht: BMW X6 M - Mann-o-Meter
Man kann darüber streiten, was ein 2,3-Tonnen-SUV auf einer Rennstrecke zu suchen hat. Doch wer ein paar Runden hinter dem Lenkrad des neuen X6 M gesessen hat, der streitet sicher nicht mehr.
Von 0 auf 100 km/h in weniger als fünf Sekunden, Tempo 275 Spitze und gewaltig trommelnde 555 PS – wäre alles nicht sehr spannend, wenn die BMW-Strategen das Ganze nicht im Blechkleid eines mächtigen SUV untergebracht hätten. Die Münchner bringen den X6 nun als M-Version auf die Straße. Optisch hätte man sich ihn noch schärfer vorstellen können.
Bereits die zivile Version des BMW X6 übt sich mit den gewaltigen Rädern und dem mächtigen Heck kaum in Zurückhaltung. Da schrecken einen die Kiemen an den Kotflügeln vorne, mächtige Lufteinlässe in der Frontschürze und die vierflutige Auspuffanlage kaum noch auf.
Wenn der BMW X6 M im Rückspiegel anrollt, sollte man sehen, dass man wieder auf die rechte Spur kommt. Die Gefahr, dass einen die düsteren Lufteinlässe mit den Dimensionen eines U-Bahn-Schachts einfach aufsaugen, scheint groß.
Als ob der normale Achtzylinder im BMW X6 xDrive 50i mit seiner Turboaufladung nicht schon kraftvoll genug wäre: Die M-Versionen des Geschwisterpaares X6 und X5 bieten Dank doppelter Turboaufladung 408 kW/555 PS und ein maximales Drehmoment von 680 Nm. Dass der gewaltige Schub bereits nach einem kaum mehr spürbaren Loch ab 1.500 Touren die Passagiere in die Sitze presst, verdankt man einem neu entwickelten Turbolader mit zylinderbank übergreifendem Abgaskrümmer. Was sich selbst für viele Motorsportfans anhört wie ein böhmisches Dorf, ist zum Patent angemeldet und sorgt dafür, dass der Kraftprotz bereits bei betont niedrigen Touren in die Puschen kommt.
"Wir zeigen mit dem X6 M, dass Downsizing nicht gleichzeitig auch Downgrading heißen muss", erklärt Kay Segeler, Präsident der sportiven M-GmbH im Hause BMW. Regenerative Bremsen und Tüfteln an der Aerodynamik sorgen unter anderem dafür, dass sich der avisierte Durchschnittsverbrauch von 13,9 Litern SuperPlus auf 100 Kilometern in einem überraschend erträglichen Rahmen hält. Die Hauptkonkurrenten ML 63 AMG und Porsche Cayenne Turbo liegen da weitaus höher. Wer auf der Suche nach Vortrieb jedoch Druck macht, der lässt den Durst des BMW X6 M auf weit mehr als 20 Liter ansteigen.
Der Schub des zwangsbeatmeten Achtzylinders ist in nahezu jedem Drehzahlbereich mörderisch. Fahrwerk, Reifen und Wankstabilisierung vollbringen im Sekundentakt mittelgroße Wunder, um die imposante Leistung des 2,3 Tonnen schweren Allradlers auf die Straße oder die Rennstrecke zu bringen.
Das Ergebnis kann sich nicht nur subjektiv erfahren lassen. "Auf der Nordschleife des Nürburgrings fahren wir mit dem X6 M Zeiten, wie mit der vorherigen Generation unseres M3", sagt Motorenentwickler Claus-Otto Griebel nicht ohne Stolz. Der rennerprobte M3 benötigte für eine Runde um den Ring kaum mehr als acht Minuten. Das mit einem Schlachtross wie dem X6 in den Asphalt zu zaubern, grenzt an fast schon an ein Wunder.
Zahmer als außen zeigt sich der BMW X6 M trotz aller Vitaminspritzen im Innenraum. Wer eng anliegende Sportstühle erwartete, sieht sich getäuscht. Das handschuhweiche Leder ist über Seriensitze gezogen, die etwas mehr Seitenhalt und eine ausziehbare Oberschenkelauflage haben. Doch etwas konturschärfer dürfte es bei einem solchen Boliden durchaus sein.
Überhaupt zeigt sich das gesamte Interieur betont zurückhaltend. Keine übermäßige Verwendung von M-Logos, sondern nur die dünnen Karbonlederverkleidungen an Armaturenbrett, Mittelkonsole und Türen verraten die Gene. Es bleibt also noch Raum für Individualisierungen.
"Wir haben derzeit keinen echten Konkurrenten", gibt sich M-GmbH-Chef Kay Segeler gegen Porsche Cayenne, Range Rover Supercharged, Jeep Grand Cherokee SRT-8 und Mercedes ML 63 AMG selbstbewusst: "So etwas wie wir mit dem X6 M bietet derzeit kein anderer."
Und der hat durchaus eine Historie. Die 1999er Studie des BMW X5 Le Mans leistete schon 750 PS. Die spät folgenden M-Versionen von X5 und nun X6 stehen dahinter kaum zurück.
Einsteigen, anschnallen, starten - und die Spaßtaste mit dem "M" gedrückt: Der tonnenschwere Koloss ballert los, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Analogzahlen im Tachometer rasen durch wie bei einem Raketenstart. Das auf Knopfdruck angewählte M-Sportprogramm gibt besonders spitze Kennwerte für Motor, Getriebe, Dämpfereinstellung und Regelsysteme frei. Wer es drauf anlegt, kann den X6 in Serpentinen richtig schwänzeln lassen. Das elektronische Hinterachsdifferenzial DPC sorgt dafür, dass fast schon Fahrspaß wie bei einem Hecktriebler aufkommt. Und der variable Allradantrieb bringt dabei die nötige Sicherheit ins Auto.
Natürlich kann ein X6 M auch gleiten. Ohne Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeiten geht es angesichts der modifizierten Dämpferabstimmung allerdings etwas strammer zu als im Serien-X6. Ganz nebenbei hat der X6 M selbst auf Autobahn und Rennstrecke einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Er bietet bequemen Platz für vier Personen und für Gepäck satt. Welcher Sportwagen kann das schon von sich behaupten?
Trotzdem ist sich BMW der kritischen Stimmen in Bezug auf seinen PS-Protz bewusst: "Natürlich kennen wir diese Kritik, dass ein solches Auto nicht in die Welt gehöre", gesteht Segeler ein. "Doch ein Wagen wie dieser hat eine weltweite Nachfrage - nicht nur in den USA und Asien, sondern auch in Zentraleuropa.“
25.000 M-Modelle hat BMW im vergangenen Jahr verkauft. Unter ihnen auch den 300.000. M seit dem Marktstart im Jahre 1978. Damals sorgte der Straßenrennwagen BMW M1 für Aufsehen im Hause BMW. Zur Schärfung des Profils und in Anbetracht der Konkurrenz von Porsche 911, Audi R8 und Mercedes SLS fehlt BMW heute ein Sportwagen als Imageträger weit mehr als ein Power-SUV. Doch danach sieht es bis auf weiteres nicht aus. Marktstart für den BMW X6 M ist ebenso wie für den X5 M am 24. Oktober. Dann ist der BMW X5 M mit Preisen ab 105.900 Euro etwas günstiger als das Topmodell X6 M für 108.500 Euro.
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